Die Siedler: Neue Allianzen im Test mit Video: Nicht so schlecht wie sein Ruf, aber...

Wer sich derzeit in ein Siedler-Forum verirrt, könnte den Eindruck bekommen, Ubisoft habe seinen Fans das Pausenbrot geklaut: "Fail mit Ansage!", "Ubisoft hat die Siedler nicht kapiert!" und "Wie kann man sowas nur durchwinken!?" sind da noch einige der harmloseren Beiträge. Dabei haben die Franzosen einfach nur ein neues Siedler-Spiel veröffentlicht. Eines, zugegeben, auf das viele Fans null Bock hatten: Seit Volker Wertich vor ein paar Jahren mit dem Projekt brach, wurde es von Ubisoft Düsseldorf auf einen neuen Kurs gebracht, einen, der vielen Siedler-Veteranen nicht schmeckte. Schon in unserer letzten großen Vorschau war das gemütliche Aufbauspiel kaum wiederzuerkennen. Bauen und Logistik wurden aufs Nötigste runtergedampft, dafür gab's schnelle Echtzeit-Geplänkel voll absurder Designentscheidungen. Aus der Community hagelte es Kritik, Ubisoft ließ nachbessern, verschob das Spiel erneut. Mittlerweile heißt es Die Siedler: Neue Allianzen, offiziell kaufen könnt ihr es seit dem 17. Februar 2023 - und ganz so schlecht wie sein Ruf ist es am Ende doch nicht geworden. Also kann man bedenkenlos zugreifen? Leider nein. Denn was ihr im neuen Siedler bekommt, gibt's woanders deutlich besser, günstiger und ausgereifter.

Update: Jetzt mit Video-Review und Wertung für die Switch-Umsetzung (auf Artikelseite 3)

Aufbauspiel oder Echtzeit-Strategie?

Im Kern ist auch Neue Allianzen ein gemütliches Aufbauspiel nach bewährtem Strickmuster: Zu Beginn baut ihr Holzfäller und Steinmetze, lasst im Sägewerk Bretter herstellen, Jäger schießen Tiere tot, Fischer werfen ihre Angel aus und schon nach ein paar Minuten beginnen sich die Warenlager zu füllen. So weit, so Siedler. Doch das Spiel hat noch eine andere Seite, eine, die gerne ein Echtzeit-Strategiespiel mit flottem Mehrspieleranspruch wäre - und dabei mit Schmackes auf die Nase fällt.

Die Story-Kampagne ist mit 13 Missionen gut bemessen und lässt mich dabei drei unterschiedliche Fraktionen erleben. Die ausufernden Dialoge und ständigen Unterbrechungen durch Cutscenes, die einfach kein Ende nehmen wollen, fand ich aber schnell ermüdend. Die ernste Geschichte hat mich daher zu keinem Zeitpunkt motiviert, aber immerhin: Es gibt wenigstens eine! Das Missionsdesign ist okay: Ich kann auf jeder Map wirklich ausgiebig bauen, bis ich mich daran mache, die verschiedenen Ziele zu erfüllen. Die Reihenfolge der Aufgaben ist aber oft vorgegeben und meistens läuft es eh nur auf Kämpfe hinaus. Der Spaß am Erkunden bleibt da etwas auf der Strecke.

Quelle: PC Games Da wir Wege auch verschlungen anlegen können, sieht unser Dorf trotz Hexfeld-Raster schön organisch aus.

Wuseliger Siedler-Charme

Betrachten wir erst mal den Aufbau-Part, denn hier macht das Spiel eine ganze Menge richtig, etwa die Atmosphäre: Das Spiel sieht hübsch und einladend aus, vor allem in den Produktionsstätten gibt's jede Menge detailverliebte Animationen zu bewundern. Waren werden gut erkennbar abgeladen und weiterverarbeitet, und wer in der Kaserne ranzoomt, kann genau mitverfolgen, wie die Soldaten durch ihre Ausbildung hampeln. Putzig! Auch die Beleuchtung ist hübsch, das Meer schwappt gemütlich vor sich hin, Tiere füllen die Umgebung mit ein wenig Leben und binnen Minuten wuselt es in meinem Dorf, dass es die reinste Freude ist. Dazu gibt's eine entspannte, zurückhaltende Musikuntermalung und jede Menge Kommentare von meinen Siedlern, die zwischendurch für Stimmung sorgen.

Tipp: Auch in unserem Podcast berichten wir ausführlich über das Spiel.

Auch die Wege gefallen mir gut, die lassen sich nämlich schön geschwungen anlegen. Dadurch sieht die Siedlung organischer aus, als sie eigentlich ist: Beim Platzieren von Gebäuden muss ich mich nämlich nach einem Hexfeld-Raster richten. Trotzdem wirkt mein Dörfchen schnell einladend, das gilt vor allem für Wohnhäuser, die sich automatisch zu kleinen Blöcken verbinden - dadurch werfen sie mehr Platz ab und sehen obendrein richtig idyllisch aus. Ein Extralob gibt's für die drei Völker: Die ähneln sich spielerisch zwar stark, unterscheiden sich aber zumindest optisch stark voneinander.

Quelle: PC Games Wunderschön: Wohnhäuser verbinden sich zu kleinen Wohnblöcken, hin und wieder entstehen dabei solche schicken Bögen.

Mein Volk gehorcht

Die ersten Aufbauschritte machen Spaß und gehen gut von der Hand, auch, weil mir das Spiel ziemlich viel Arbeit abnimmt. Alle Dorfbewohner sind standardmäßig als Träger eingeteilt und stehen erst mal nutzlos in der Gegend herum. Doch sobald ich einen Bauauftrag gebe, flitzen sie los und schleppen die benötigten Waren an die Baustelle. Das klappt in der Regel so zügig und zuverlässig, dass man den Warentransport nicht mehr priorisieren muss. (Oder kann, das Feature sucht man vergebens.)

Das Gebäude selbst wird dann von Ingenieuren hochgezimmert. Das sind Spezialeinheiten, die ich direkt steuern kann, nur Gebäude werden auf Wunsch automatisch errichtet. Die Multitalente sind aber auch dafür zuständig, nach Bodenschätzen zu suchen, Waren für Nebenaufträge zu transportieren (warum auch immer) oder meine Grenzen zu erweitern. In anderen Spielen wären das Jobs für zwei bis drei Einheiten gewesen, hier hat man sich dagegen für die einfachere Lösung entschieden. Das ist zwar bequem, hat aber auch Nachteile: Die Ingenieure halten nämlich kaum Treffer aus und ziehen sich auch nicht automatisch zurück, wenn sie angegriffen werden. Wer da nicht aufpasst, kann früh ein paar kostbare Arbeiter an feindliche Banditen verlieren. (Ironischerweise ergreifen meine unverwundbaren Standard-Siedler panisch die Flucht, sobald sie einen Feind erblicken. Hätten die Ingenieure doch nur so viel Grips!)

Auch etwas blöd: Wer anfangs zügig bauen will, kann sein Gebiet kaum erweitern, da die Ingenieure alle beschäftigt sind. Nachschub ist zwar blitzschnell ausgebildet, kostet aber Werkzeug, für das man wiederum Holzbretter und Steine braucht. Und genau das sind die zwei wichtigsten Ressourcen im ganzen Spiel, die man vor allem in den frühen Spielphasen händeringend braucht.

Aufbau light: Auf der Suche nach Tiefgang

Holzbretter und Steine sind für alle Gebäude unverzichtbar. Entsteht ein Engpass, muss ich minutenlang Däumchen drehen, dadurch kann sich das Spiel manchmal zäher anfühlen, als es müsste. Holz ist kein Problem, auch dank eines Försters, den die Entwickler nach der fatalen Alpha-Version doch noch eingebaut haben. Der züchtet Bäume zwar nur in einem eingezäunten Bereich, aber das ist immer noch besser als nix.