Manor Lords: Ein Spiel für die geschundene Siedler-Seele + Video

Im mittelalterlichen Franken ging es beschaulich zu. Der Bauer bestellte sein Feld. Vor dem Winter musste das Getreide eingeholt und Feuerholz geschlagen werden. Wenn man Ambitionen hatte, nahm man sich vor, Geld für einen warmen Mantel zu sparen. Eine Zeit, in die sich viele Menschen gerne gedanklich flüchten, um dem stressigen Alltag der Social-Media-Ära zu entfliehen. Die Beliebtheit von Spielen mit Mittelalter-Setting ist kein Wunder, allerdings sind die meisten davon nicht besonders authentisch. Im Aufbaustrategiespiel Manor Lords sieht das anders aus. Die Straßen des Königs sind nicht schnurgerade, liegt ein Hindernis im Weg, muss der Pfad eine Biegung machen. Hier stehen keine bunten Häuser, die zwar nett aussehen, aber so gar nicht in die karge Zeit passen. Und vor allem gibt's keine fantastischen Elemente wie Drachen, die das fränkische Hinterland durchstreifen.

Manor Lords wird zum größten Teil von einem Entwickler gestemmt. Zusammen mit einigen Kollegen baut Slavic Magic seit Mitte 2017 an der Simulation. Seine Freunde helfen ihm zum Beispiel mit Motion-Capture-Aufnahmen, Designs, Musik und einem geschärften Blick für historische Akkuratesse. Dass hinter dem Spiel ein so kleines Team steckt, merkt man Manor Lords in keiner Weise an. Das Spiel ist sehr hübsch, besonders für Aufbaustrategie-Verhältnisse. Die Unreal Engine 4 zaubert wunderschöne Landschaften, die nicht nur herausgezoomt toll aussehen. Wenn man möchte, kann man sogar als stolzer Lord durch die opulente Siedlung flanieren. Da werden sogar manche Third-Person-Spiele gelb vor Neid.

Aufbaustrategie eine Stufe weiter gedacht

Das Grundgerüst von Manor Lords ist bisher noch nichts Besonderes, allerdings unterscheidet sich das Spiel in der Art und Weise, wie es umgesetzt wurde. Ihr errichtet wie gewohnt Holzfällerhütten, um Rohstoffe für den Bau eurer Siedlung zu generieren. Allerdings merkt ihr schon nach dem ersten Bauauftrag, dass Dinge in diesem Spiel anders laufen. Die schweren Stämme, die für die mittelalterlichen Hütten genutzt werden, müssen erst von Ochsen an die Baustelle gezogen werden. Eigentlich logisch, denn für einen Menschen wäre ein Baumstamm viel zu schwer. Trotzdem denken andere Aufbauspiele an so ein Detail oft gar nicht. Dieser Umstand ist außerdem strategisch relevant, denn zu Spielstart besitzt ihr nur ein Tier. Bis eure Siedlung Handel treiben kann und ihr die Möglichkeit habt, weitere Tiere zu importieren, muss euer einsamer Ochse alle Baumstämme transportieren. Und beschränkt sich nicht nur auf die Beförderung zu den Baustellen. Nachdem euer Holzfäller einen Baum im Wald geschlagen hat, muss der auch erst mal ins Lager gebracht werden.

Quelle: Slavic Magic Manor Lords: Ein Spiel für die geschundene Siedler-Seele (1)

Gebäude ploppen nicht einfach von Zauberhand auf, wenn sie platziert werden, oder entstehen innerhalb weniger Bauphasen. Jeder einzelne Balken, von den tragenden Pfeilern, über Fenster und Dachlatten erscheinen nacheinander und in der richtigen Reihenfolge. So entsteht der Eindruck, dass wirklich etwas errichtet und nicht nur ein fertiges Modell in die Landschaft gepflanzt wird. Manche Gebäudearten entstehen sogar noch organischer, etwa die Wohnhäuser eurer Siedler. Jede Familie benötigt ein eigenes Heim. Mit vier Punkten legt ihr ein Grundstück fest, auf dem die Hütte errichtet wird. Dabei schmiegen sich Wegpunkte an bereits bestehende Straßen und auf großen Feldern können zusätzliche Objekte wie ein Hühnerstall oder ein Gemüsebeet angelegt werden, die dann von der Familie des Hauses bewirtschaftet werden und deren Produkte in den Warenkreislauf des Dorfes Einzug halten.

Eure Bewohner haben Bedürfnisse, die ihr befriedigen müsst. Manche davon wie Essen, Wasser oder Brennstoff sind überlebenswichtig. Andere sorgen dafür, dass ihr im Ansehen der Bevölkerung steigt und Wohngebäude weiter ausgebaut werden können. In unserer Demo diente der Ausbau nur dazu, dass sich die Gebäude optisch verändern und wir ein Ziel vor Augen hatten, auf das wir zusteuern. Im fertigen Spiel dienen ausgebaute Häuser reichen Bevölkerungsgruppen als Wohnstätte. Durch die nicht an Raster gebundene Verteilung von Gebäuden und die frei setzbaren Straßen wächst eure Siedlung natürlicher als in anderen Aufbauspielen, deren Wegenetze und Wohnblöcke oft an die mit dem Lineal gezogenen Layouts amerikanischer Großstädte erinnern. Manor Lords ist etwas für Aquariumgucker, die sich an ihrem kleinen Dorf minutenlang erfreuen können, ohne eine einzige Aktion zu vollführen.